Mit freiem Vortrag und Witz zum Sieg

Rund 500 Besucher beim Leeraner Poetry Slam

von Karin Eden

Nach Berlin geht der »Goldene Kutter«, die Trophäe des Leeraner KutterPoetry-Slams, für die Jahre 2020, 2021 und 2022. Vor rund 500 Zuschauern im Theater an der Blinke in Leer wurde Lisa Pauline Wagner aus der Hauptstadt zur strahlenden Siegerin gewählt.

Für einen amüsanten, knapp dreistündigen Abend sorgte der Leeraner Poetry Slammer Andy Strauß als Moderator. Etliche seiner Sprüche landeten unter der Gürtellinie, aber auch das kam beim Publikum gut an. Immerhin war ihm auch zu verdanken, dass die Musikerin Aylin Celik aus Düsseldorf mit zwei Auftritten für Abwechslung sorgte und mit digitaler, rhythmusbetonter Musik und markanter Stimme ein bisschen an die junge amerikanische Singer/Songwriterin Billy Eilish erinnerte. Zwei Poetinnen und zwei Poeten bestritten den Wettstreit: Florian Stein und die ehemalige Landesmeisterin von Nordrhein Westfalen, Sandra Da Vina, beide aus Essen, der Vize-Landesmeister von Niedersachsen, Dominik Ehrst aus Oldenburg, und Lisa Pauline Wagner aus Berlin.

Die Siegerin des Abends punktete von Anfang an mit ihren freien Vorträgen über Alltagserfahrungen, mit denen sich das Publikum leicht identifizieren konnte: Die tausend Gedanken, die sie sich macht, statt den Nachbarn, in den sie sich verliebt hat, einfach direkt anzusprechen, oder die leidigen Fragen, warum sie keine Kinder habe, wofür sie gute Gründe, aber keine Lust habe, sich dafür rechtfertigen zu müssen.

Lauter Zehnen verteilte die Publikums-Jury dafür. Auch die Zweitplatzierte Sandra Da Vina kam gut an mit einer Rede anlässlich einer Scheidung und launigen Bemerkungen, etwa über »das Konzept Freundschaft«, das sie »klasse« findet: »Es gibt Leute, die einen mögen, obwohl sie wissen, wie man ist«. Mit über 30 sei sie immer noch nicht erwachsen, sagte sie, widmete einen Text ihrer Abneigung gegen Heißgetränke und stellte fest, dass zu Kuchen nicht etwa Kaffee am besten passe, sondern – ein zweites Stück Kuchen.

Dominik Ehrst zitierte aus seinem Schreibtagebuch, das den leidigen Prozess dokumentierte, termingerecht einen kreativen Text produzieren zu müssen, was nicht immer gelingt. Sehr gut kam sein zweiter Beitrag an, in dem er über einen Ärztekongress in Sätzen schrieb, die alle mit dem gleichen Buchstaben begannen. Nach jedem Satz kam der nächste Buchstabe dran, »Tautogramm nennt man das«, erfuhren die Besucher. Kurzfristig eingesprungen war Florian Stein aus Essen. Einen Text widmete er seiner 100-jährigen Oma: »Wer braucht schon Unsterblichkeit«, hieß dieser, mit der weisen Erkenntnis, dass erst der Tod dem Leben einen Sinn gibt. »Arme Ritter« war der Titel seines zweiten Beitrags, in dem es um traumatische Kindheitserfahrungen ging, die Kinder erleben, deren Eltern sich keine Klassenfahrten und teure Markenschuhe leisten können.

Im finalen Stechen las Sandra Da Vina den lyrischen Text »Nach Art des Hauses« über Verwandtentreffen in dem immer gleichen Restaurant. »Hier könnte ihre Werbung stehen«, lautete der Titel von Lisa Pauline Wagners Finalbeitrag, in dem sie realistische negative Auswirkungen von Produkten den Werbeversprechen gegenüber stellte.

Mit gebührendem Applaus wurden beide bedacht, schließlich kürte der Publikums-Jury-Applaus Wagner zur Siegerin.